Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Herr Dr. Wingenfeld!
Fulda
„Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Herr Dr. Wingenfeld!“, kommentiert die Stadt-fraktion Die Linke.Offene Liste / Menschen für Fulda den Werbeauftritt des Fuldaer Oberbürgermeisters in der Fuldaer Zeitung für die Fuldaer Zeitung. Betitelt ist die am Freitag, den 29. Juli 2016 auf der Lokalseite erschienene Anzeige* mit „HAND in HAND zum ERFOLG!“. Freundlich lächelnd und passend im FZ-Blau beschlipst erklärt Dr. Heiko Wingenfeld als Oberbürgermeister der Stadt Fulda in dieser Anzeige: „Die Fuldaer Zeitung ist ein ‚Unverzichtbarer Teil der Region‘, weil sie seit ihrer Gründung vor mehr als 140 Jahren als feste Institution in der Stadt und der Region das Zeitgeschehen aus authentisch Fuldaer Perspektive heraus widerspiegelt und für ihre Leser aufbereitet. Nur wer Zeitung liest, ist ein wirklich umfassend informierter Bürger!“
„Ein Werbeauftritt für die Fuldaer Zeitung gehört ganz sicher nicht zu den Aufgaben eines Stadtoberhaupts. Als Teil des Magistrats vertritt der Oberbürgermeister die Stadt und gibt Erklärungen der Stadt in seinem Namen ab (vgl. § 71 Abs. 1 HGO). Werbeauftritte für kommerzielle Unternehmen sind daher nicht möglich. Zudem be-vorzugt er damit in unzulässiger Weise ein osthessisches Veröffentlichungsorgan. Die FZ und die anderen zur Parzellergruppe gehörenden Medien sind schließlich nicht die einzigen Online- und Printmedien in unserer Region“, verdeutlicht Frakti-onsvorsitzende Karin Masche. Man könne diesen politisch skandalösen Werbeauftritt als peinlichen Fehler abtun, wenn die Bevorzugung der Fuldaer Zeitung nicht schon Methode habe. Sie spielt darauf an, dass dieses Printmedium nicht nur das einzige offizielle Veröffentlichungsorgan der Amtlichen Bekanntmachungen sei und Parzeller für die jeden Dienstag in der FZ erscheinen Stadtseiten jährlich pauschal 98.000 € zzgl. Mehrwertsteuer (Stand Frühjahr 2012) für von der Magistratspressestelle verfasste Artikel und Bekanntmachungen erhalte – obwohl die Stadt Fulda mit dem Printmedium ‚Fulda Informiert‘, das an alle Haushalte in der Stadt verteilt werde (übrigens durch die Mediengruppe Parzeller) und der Internetpräsenz www.fulda.de zwei eigene Veröffentlichungsorgane unterhalte.
Als „zynisch“ kritisiert Masches Fraktionskollegin Ute Riebold, die Aussage des Fuldaer Oberbürgermeisters, dass die FZ seit „mehr als 140 Jahren … das Zeitge-schehen aus authentisch Fuldaer Perspektive heraus widerspiegelt“. „Damit ist peinlicherweise auch deren unrühmliches Wirken während der 12-jährigen Nazidiktatur umfasst, das im Zeitraum von 1945 bis 1951 ein Erscheinungsverbot nach sich zog.“
Riebold hat bereits eine offizielle Anfrage eingereicht. Im Folgenden der Wortlaut:
Werbeauftritt für die Mediengruppe Parzeller
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
zu Ihrem Einsatz für die Fuldaer Zeitung – die Anzeige ist bisher am Freitag, den 29. Juli 2016 in der Fuldaer Zeitung auf Seite 19, in der Hünfelder Zeitung auf Seite 20, in den Kinzigtal Nachrichten auf Seite 16 und im Schlitzer Boten auf Seite 18 er-schienen – habe ich einige Fragen an Sie:
1. Wie verträgt sich Ihr Werbeauftritt mit Ihren Aufgaben als Oberbürgermeister und damit, dass Sie die Stadt Fulda repräsentieren?
2. Mit welchem Betrag wurde Ihr Engagement honoriert?
3. Sie betonen, dass die Zeitung seit mehr als 140 Jahren (gegründet 1874) „das Zeitgeschehen aus authentisch Fuldaer Perspektive heraus widerspiegelt“. Das beinhaltet auch das unrühmliche Wirken der FZ in den 12 Jahren Herrschaft des Naziterrors, das im Zeitraum von 1945 bis 1951 ein Erscheinungsverbot nach sich zog. Halten Sie vor diesem Hintergrund Ihre Aussage auch für zynisch?
4. Sie sprechen in Ihrer Anzeige sowohl Leser als auch Bürger an. Warum richten Sie Ihre Erklärung nicht auch an Leserinnen und Bürgerinnen?
Der Fuldaer OB reihe sich damit hinter seinen Nachfolger Frederik Schmitt, erster Kreisbeigeordneter des Landkreises Fulda, der eine Woche zuvor (22. Juli 2016)** in der gleich gestalteten und betitelten Werbeanzeige auf der Hessenseite der FZ verkündete: „Die Fuldaer Zeitung verkörpert für mich ein Stück Heimat als Informationsgeber, Pulsmesser und Sprachrohr der Menschen vor Ort. Sie ist damit weit mehr als Tageszeitung, sondern ein wertvoller Partner und Unterstützer der gesamten Region. Von daher hoffe ich, dass auch in Zukunft gerade für junge Menschen der Blick in die Fuldaer Zeitung trotz der grundlegenden Änderungen in Medienverhalten selbstverständlich bleibt.“
„Mal schauen, ob und wie sich auch der Fuldaer Bürgermeister Dag Wehner, Landrat Bernd Woide oder andere politische Führungskräfte der Gemeinden und Landkreise Osthessens in ähnlicher Weise wie OB und Vize-Landrat instrumentalisieren lassen“, erklärt die Stadtfraktion Die Linke.Offene Liste / Menschen für Fulda abschließend.
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Fuldaer Zeitung, Fr 29.07.2016, S. 19, Lokales Fulda
Hünfelder Zeitung, Fr 29.07.2016, S. 20, Lokales Hünfeld
Kinzigtal Nachrichten, Fr 29.07.2016, S. 16, Lokales Kinzigtal
Schlitzer Bote, Fr 29.07.2016, S. 18, Lokales Schlitz
MK / Marktkorb (Nord + Süd), Mi 03.08.2016, S. 20, Mobil
VB / Wochenbote Vogelsberg, Mi 03.08.2016, S. 18, Mobil
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Fuldaer Zeitung, Fr 22.07.2016, S. 7, Hessen
Hünfelder Zeitung, Fr 22.07.2016, S. 7, Hessen
Kinzigtal Nachrichten, Fr 22.07.2016, S. 7, Hessen
Schlitzer Bote, Fr 22.07.2016, S. 7, Hessen
MK / Marktkorb (Nord + Süd), Mi 27.07.2016, S. 14, Sport
VB / Wochenbote Vogelsberg, Mi 27.07.2016, S. 10, Sport
HGO = Hessische Gemeindeordnung