Krisenmodus darf Demokratie nicht aushebeln

Politik in Zeiten der Corona

Fulda
Am kommenden Montag, 11. Mai 2020 findet ab 18 Uhr eine Sitzung der Fuldaer Stadtverordneten statt. Aufgrund des gebotenen Abstandes wird im großen Saal der Orangerie getagt.

Die Kontaktbeschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wird Interessierte vermutlich davon abhalten, der Stadtverordnetensammlung live beizuwohnen. „Schade, dass die Mehrheit des Stadtparlaments Anträge, Stadtverordnetenversammlungen live im Internet zu streamen, bisher stets ablehnte. Wenn das nicht blockiert worden wäre, hätten wir jetzt die technischen Voraussetzungen, allen die Gelegenheit zu bieten, die Sitzung des Stadtparlaments zu beobachten – ohne die eigenen Wände verlassen zu müssen. Wir starten nunmehr einen erneuten Versuch, die Sitzungen der Stadtverordneten im Internet zu übertragen. Ein entsprechender Antrag wird eingebracht.“

Die März-Sitzung der Stadtverordneten und fast alle Sitzungen der Ausschüsse wurden seit Mitte März abgesagt – bis auf den Haupt- und Finanzausschuss, dem kurzerhand mehr Kompetenzen übertragen wurden und derzeit auch nichtöffentlich tagen darf. „Dies macht eine ein Jahr (28.03.2020 – 31.03.2021) geltende Änderung der Hessischen Gemeindeordnung möglich. Die Gemeinden dürfen diese Einschränkung demokratischer Beteiligung umsetzen – müssen dies aber nicht. Bedauerlicherweise wird in Fulda bereits seit Mitte März so verfahren – ohne auch nur ansatzweise die Fraktionen einbezogen zu haben. Demokratische Beteiligung und transparente Entscheidungsfindungen müssen nicht der Pandemie geopfert werden – diese sind auch ohne Ansteckungsgefahr möglich. Demokratie ist nicht gefährlich – Demokratie beschneiden hingegen ist sehr gefährlich!“ Die Stadtverordnetenversammlung am 11. Mai 2020 komme im Wesentlich nur zusammen, um die Einschränkungen der Demokratie nunmehr „abzusegnen“. „Bis Ende September soll der Haupt- und Finanzausschuss die anderen Ausschüsse ersetzen. Zudem werden weniger Anfragen öffentlich diskutiert. Diesen Einschränkungen werden wir nicht zustimmen. Um die Verbreitung des Virus einzudämmen, ist es nicht nötig, demokratische Beteiligung einzuschränken. Der Krisenmodus darf Demokratie nicht aushebeln.“

Die Fraktion Die Linke.Offene Liste / Menschen für Fulda hat zusammen mit den Initiativen, die bereits für die abgesagte März-Stadtverordnetenversammlung eingereicht wurden, acht Anträge, sieben Anfragen und zwei Aktuelle Stunde-Anfragen rund um das Thema Corona gestellt.

„Das Interesse der Fuldaer Bürger*innen an den Diskursen und Entscheidungen der politischen Gremien zu wecken und zu fördern, sollte den gewählten Vertreter*innen wichtig sein. Das würde auch allgemein das Interesse an Teilhabe und Partizipation stärken. Durch eine Übertragung der Stadtverordnetenversammlungen könnten Menschen auch dann den Sitzungen folgen, wenn eine persönliche Teilnahme nicht möglich ist. Die Kontaktbeschränkungen der aktuellen Corona-Krise verdeutlichen einmal mehr, wie wichtig es ist, umgehend dafür zu sorgen, dass die Öffentlichkeit von Sitzungen auch virtuell hergestellt wird“, wird dieser erneute Versuch, mehr Öffentlichkeit herzustellen, begründet.

Bundesweit wird beobachtet, dass insbesondere die Schließungen der Schulen und Kindertagesstätten, aber auch die Sperrung der Spiel- und Sportplätze, sowie Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen im Rahmen der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus viele Familien überlastet. Hinzu kommen Einkommensverluste und Zukunftsängste. Ist unser Jugendamt entsprechend gerüstet, um diese Mehrbelastung bewältigen zu können?“ Zudem wird beantragt, die Elternbeiträge für die KiTas nicht zu erheben – auch nicht für die Kinder, der sogenannten Notbetreuung.

Hinsichtlich der Schulöffnungen wird beantragt, allen Schülerinnen und Schülern Gesichtsmasken zur Verfügung zu stellen und alle Schulen mit ausreichend Seife und Handtüchern auszustatten. „Ganz wichtig ist, Maßnahmen zu treffen, die Schülerbeförderung zu verbessern. Unter den Maßgaben der Abstandsregeln sind überfüllte Schulbusse nicht länger haltbar.“

Da der Fahrscheinverkauf in den Stadtbussen derzeit nicht möglich ist, andererseits Fahrscheinautomaten nur am Bahnhof, am ZOB und am Stadtschloss zur Verfügung stehen, wird beantragt, dass bis auf weiteres Fahrten bis zum Heertor und zum Bahnhof kostenfrei sind, „damit sich Fahrgäste nicht ungewollt strafbar machen“.

Da viele Bevölkerungsgruppen derzeit unter krisenbedingten Einkommenseinbußen. leiden, sei die Politik in Bund, Land aber auch der Kommune gefordert. Die Stadt Fulda solle hier unterstützend handeln und für diese und andere Betroffene Ordnungsgelder nicht erheben, die durch ihre Betätigung angefallen sind (z. B. bei Musikern durch Nutzung elektrischer Verstärkeranlagen). „Künstler*innen sind ihre Einnahmen derzeit ja komplett weggebrochen.“ Auch Anträge auf Erlass von Straßenbeiträgen sollten grundsätzlich positiv beschieden werden, wenn erhebliche Einkommenseinbrüche nachgewiesen werden können.

In der gesundheitlichen Krise wird deutlich, wie sehr unsere Gesellschaft ein Gesundheitssystem benötigt, das nicht auf Erzielung von Profiten ausgerichtet ist. Es zeigt sich, wie wichtig es ist, dass Einrichtungen des Gesundheitswesens in öffentlicher Trägerschaft sind, und es war eine richtige Entscheidung, an der Trägerschaft der Stadt Fulda am Klinikum Fulda festzuhalten. In dieser Situation ist auch zu überprüfen, wie das öffentliche Eigentum an Krankenhäusern gestärkt werden kann. Es muss in Fulda überprüft werden, ob die Gesellschaftsform des Klinikums (gemeinnützige Aktiengesellschaft) noch den Anfordernissen gerecht wird oder andere Konstruktionen geeigneter sind ein Krankenhaus zu führen.“

In der Aktuellen Stunde wird nach der Öffnung des Rosenbades gefragt. Die Ansteckungsgefahr mit Grippe- und Coronaviren in den Becken sei sehr unwahrscheinlich. „Ein Risiko bergen Schlangen vor den Kassen und die Sanitär- und Umkleidebereiche. Mit einer intelligenten Organisation, Regeln und dem Willen, Kinder nicht noch mehr unter den nötigen Beschränkungen leiden zu lassen, sollte es möglich sein, Freibäder zu öffnen, ohne dass diese zum Corona-Hotspot zu werden drohen.“

Weitere Initiativen werden wohl erst „nach Corona“ Eingang in den politischen und gesellschaftlichen Diskurs finden:

Der Landkreis Bad Kissingen setzt sich für eine direkte Zugverbindung von Fulda nach Bad Kissingen ein „Wie bewertet der Magistrat diesen Vorschlag?“ Der Ausbau der Bahnstrecke Fulda-Hanau wird in der Aktuellen Stunde thematisiert.

Rückwirkend zum 1. Januar 2020 werden auf Grundlage der Beschlüsse zum Klimaschutzprogramm veränderte Förderbedingungen für den Ausbau des ÖPNV gelten. „Kann sich der Magistrat vorstellen, dem ÖPNV in Fulda weitere Elemente zuzufügen, wie nicht schienengebundene Straßenbahnen und damit verbundene Umsteigeeinrichtungen?“

Eine Anfrage beschäftigt sich mit den Beschwerden des Ortsbeirates Gläserzell zum unzulänglich umgesetzten AST-Angebot.

„Die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 werden tiefe Einschnitte in unserer Gesellschaft hinterlassen – leiden werden wohl diejenigen, die eh schon benachteiligt sind. Dies zu verhindern oder auszugleichen wird eine große Herausforderung. Sorgsam mit der Natur und unseren Lebensgrundlagen umzugehen, ist auch weiterhin eine Aufgabe.“ In diesem Zusammenhang werden die unzulänglich ausgeführten Ausgleichsmaßnahmen für den Eisvogel zwischen den beiden Aueweihern thematisiert und Fragen zu den nicht genehmigten Naturzerstörungen im Rahmen der Bauarbeiten am neuen Schulzenberg-Rundweg gestellt.

Am 11. März hat Hanns-Uwe Theele, langjähriger Vorsitzende des Behindertenbeirats, sein Mandat niedergelegt. Anfang April hat Lothar Herzig nach 39 Jahren Engagement seine Mitgliedschaft im Naturschutzbeirat beendet und auch sein Amt als Beauftragter des Naturschutzbeirats niedergelegt. Die Begründungen ähneln sich.

„Welche Lehren ziehen Sie aus den Begründungen dieser Rücktritte? Demokratie lebt von Engagement, kritischen Auseinandersetzungen, Diskursen, aktiver Mitgestaltung. Leider vertieft sich der Eindruck, dass dies von den Führungsebenen unserer Stadt mehr als hinderlich und verzögernd angesehen wird, als wertgeschätzt und als wichtig und bereichernd erachtet wird. Wollen Sie / wie wollen Sie diesem Eindruck begegnen?“

„Zu einer lebendigen Demokratie gehören auch Kritik und gesellschaftliche Diskurse“, so die Fraktion Die Linke.Offene Liste / Menschen für Fulda abschließend.

Der Wortlaut der Anfragen und Anträge sowie weitere Informationen zu dieser Stadtverordnetenversammlung sind hier veröffentlicht:

Stadtverordnetenversammlung 11. Mai 2020

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